Reparieren statt wegwerfen: Solar-Wechselrichter mit Open-Source-Technik als Chance für mehr Nachhaltigkeit
Lesedauer ca. 3 MinutenEs ist offensichtlich, dass wir in eine untragbare Situation schlittern: Mit rund 5 Millionen Tonnen Elektroschrott im Jahr allein in Europa blicken wir auf eine ökologische wie wirtschaftliche Katastrophe.[1] Weltweit sind es gar 55 Millionen Tonnen mit rasch steigender Tendenz. Weniger als 40 Prozent des Elektroschrotts werden in der EU recycelt – und das bei dem am stärksten wachsenden Abfallstrom überhaupt.[2] Ein erheblicher Teil des Elektroschrotts wird in die Türkei oder nach Afrika exportiert, das ist nicht nur aufwändig und teuer, es verlagert das Problem mal wieder in andere Länder und ist daher moralisch mindestens fragwürdig. Es ist an der Zeit für drastische Veränderungen, weg von der Wegwerfgesellschaft hin zu nachhaltig orientierten und wiederverwendbaren Produkten.
Mit dem Green Deal der Europäischen Kommission wurde 2019 ein Weg eingeschlagen, der ein solches Umdenken in Handlungen und gesetzliche Vorgaben wandelt.[3] Es war klar, dass ein auf reiner Freiwilligkeit basierender Prozess keine Fortschritte bringen würde. Ein langer Prozess zweifelsohne, der nicht nur viele Abstimmungsrunden unter den EU-Gremien und mit den Mitgliedsstaaten erfordert, sondern auch die Haltung der Wirtschaftslobby wie die von NGOs wollen berücksichtigt werden.
Mit der aktualisierten „Ökodesign-Richtlinie“ vom April 2023 und dem kürzlich verabschiedeten „Recht auf Reparatur“ wurden Grundlagen gelegt, die von nun an auch zu einer Reduktion des Elektroschrotts führen sollen.[3][4] Die Kreislaufwirtschaft soll gestärkt werden, indem Hersteller von stromverbrauchenden Geräten zu Reparaturangeboten und dem Vorhalten von Ersatzteilen verpflichtet werden. Das entspricht exakt dem Wunsch von 77 Prozent der Verbraucher, wie eine Eurobarometer-Befragung von 2020 ergab.[5] Drei Viertel der Verbraucher würden ihr Gerät lieber reparieren lassen, als ein neues zu kaufen. Hohe Reparaturkosten, mangelnder Service und auch fehlende Ersatzteile machen diesen Wunsch in den allermeisten Fällen zunichte. Genau dies soll sich mit der neuen Richtlinie ändern.
Aber was ist mit Stromerzeugern?
Das Recht auf Reparatur bezieht sich allein auf stromverbrauchende Elektrogeräte des täglichen Bedarfs. Weiterführende Technologien, wie sie z.B. für den Betrieb von Gebäuden benötigt werden, sind davon ausgenommen. Gerade im Hinblick auf die Energiewende und die hierfür notwendige Technik ist dies unverständlich und widersprüchlich. Insbesondere im Hinblick auf die zügige Installation von dezentraler Solartechnik sollte darauf geachtet werden, ob die Kriterien für nachhaltige Produkte erfüllt sind. Sie sind es in den allermeisten Fällen nicht.
So werden ausgerechnet Solarwechselrichter, Herz und Motor einer Photovoltaik-Anlage, von der Richtlinie zum „Recht auf Reparatur“ nicht erfasst. Dabei könnten sie, bei entsprechenden technischen Grundlagen, ein Gerät für Generationen sein.
Gerade ältere Geräte, deren Garantien abgelaufen sind, fallen in immer größeren Mengen als Elektroschrott an und belasten die Umwelt. Insbesondere bei den dezentral über die Stadt verteilten PV-Anlagen, die auf Ein- oder Mehrfamilienhäusern, Carports an Gewerbegebäuden installiert sind und die einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, kommen häufig Mikrowechselrichter zum Einsatz, die in den allermeisten Fällen nicht reparaturfähig sind.
Als für die Energiewende essenziellen Geräte verfügen ältere Wechselrichter auch oft nicht über die nötigen Schnittstellen, die eine Integration mit modernen Energiemanagementsystemen oder Fernwirkeinrichtungen möglich machen. Ein Upgrade von Modellen, die nicht mehr produziert werden, scheint sich für die Hersteller nicht zu lohnen. Einmal abgesehen davon, dass die meisten Wechselrichter innen vergossen sind und sich von daher nur sehr umständlich reparieren lassen – Elektroschrott bereits in ihrer Konzeption.
Die SolarInvert GmbH mit Sitz in Baden-Württemberg hat die im eigenen Produktionsbetrieb hergestellten SELV-Solar- und -Windwechselrichter schon von der Konzeption her auf Open Source-Technik ausgerichtet. Unter dem Motto Nachhaltigkeit by Design sind hierbei die Ziele:
- Dem Kunden Unabhängigkeit zu ermöglichen, indem er völlig unabhängig vom Hersteller Reparaturen durchführen kann,
- durch Kleinschutzspannung die wohl sicherste Technik für seine Energieanlage bieten,
- den Produkten durch Premiumtechnik nachhaltige Langlebigkeit geben,
so die Resilienz stärken und - dem Kunden einen direkten Servicedraht zum deutschen Hersteller zu ermöglichen.
Seit über zwanzig Jahren tätig im Bereich Solar- und Windenergie hat das Unternehmen diese Haltung in konkrete Produkte gewandelt. Ein Perspektivwechsel durch freiwillige Selbstverpflichtung, der zeigt, wie wir zukünftig in einen Einklang mit der Umwelt treten können, ohne verzichten zu müssen. Es könnte auch als Vorbild für die Erweiterung der Ökodesign-Richtlinie wie des Rechts auf Reparatur dienen.
Es macht eben einen fundamentalen Unterschied, ob ein Wechselrichter innen vergossen und damit dessen einzelne Bestandteile nicht nur unsichtbar, sondern auch unzugänglich und damit nicht reparierbar sind, oder ob die technischen Komponenten offen liegen und damit eine Reparaturfähigkeit gegeben ist. Echte Energieunabhängigkeit erlangt nur, wer seine Anlage auch selbst beherrschen und reparieren kann. Deshalb ermöglichen SolarInvert Upgrades und Generalüberholungen für Altgeräte und veröffentlicht die Baupläne unserer Wechselrichter als Open Source. Langfristig ist das oft günstiger und immer ein positives Erlebnis sowie Ergebnis für unsere Umwelt.
Ich wünsche mir, auch andere Unternehmer von dieser Haltung überzeugen zu können. Gemeinsam könnten wir zukünftig viel Elektroschrott vermeiden und dem Abfluss von Know-How nach Fernost entgegen wirken.
Lesen Sie zur vertiefenden Lektüre auch den BVSC-Beitrag in der F.A.Z. Beilage “Stadt der Zukunft” und den Blog-Beitrag zum Thema Steckerfertige-PV-Anlagen, auch Balkon-Kraftwerke genannt.
Hier erfahren Sie zudem mehr über unser Forschungs- und Bildungsprojekt #BASISsolar, in dessen Rahmen wir auch Workshops und Informationsabende für interessierte Bürger:innen anbieten ->
[1] https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20201208STO93325/elektroschrott-in-der-eu-zahlen-und-fakten-infografik
[2] https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20210128STO96607/wie-will-die-eu-bis-2050-eine-kreislaufwirtschaft-erreichen
[3] https://commission.europa.eu/strategy-and-policy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de
[4] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32023R0826
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_24_608
[5] https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20220331STO26410/recht-auf-reparatur-warum-sind-eu-rechtsvorschriften-wichtig
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