Barcelona Smart City World Expo Congress 2018 – die niederländischen Smart Cities unterstreichen ihren Anspruch als führende Smart City Nation

Lesedauer ca. 3 Minuten
Stefan Slembrouck (rechts im Bild) zusammen mit Bram Reinders, dem Direktor des niederländischen Institutes for Future of Living, welches die niederländische Smart City Strategie koordiniert und auch den Auftritt der holländischen Smart Cities in Barcelona organisiert hat.

Mehr als 20.000 Besucher aus über 700 Städten und 146 Nationen haben die letzte SCEWC in Barcelona besucht – eine beeindruckende Zahl! Darunter waren 844 Aussteller registriert, die ihre Stände in der Halle 2 der FIRA aufgestellt hatten. Von der Halle ging’s direkt in den Kongresssaal, sodass sich eine beinah familiäre Atmosphäre bei sehr hoher Intensität entwickelte.

Aus europäischer Perspektive beeindruckten mit großen und vielbesuchten Ständen vor allem die niederländischen Smart Cities am Holland Pavillon, die skandinavischen Länder und die Stadt Barcelona selber. Aus Deutschland präsentierte sich die Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg (Metropolregion HBGW) mit einem eigenen Stand. Berlin Partner, Bayern und Baden-Württemberg traten ebenfalls auf, ohne jedoch eigene Smart Cities in den Vordergrund zu stellen.

Die Niederländer hatten sich in Barcelona der Form einer Handelsmission organisiert.
Über 200 Teilnehmer aus Städten, Behörden, Instituten und Unternehmen trafen sich bereits am Sonntagabend zu einem formlosen Empfang. Der Montag vor Messebeginn war einem sehr intensiven „Business Day“ mit internationaler Beteiligung gewidmet. Hier wurden die sechs strategischen Handlungsfelder präsentiert und diskutiert, die von jeweils einer der 6 großen niederländischen Smart Cities schwerpunktmäßig angeführt werden Resilience (Energy, water, climate) – Rotterdam; Healthy Urban Living – Utrecht; Urban Mobility – Eindhoven; Circular Economy – Amsterdam/Almere; Data & IoT – ´s Hertogenbosch; Safety & Security – Den Haag. Aus deutscher Sicht ist dabei vor allem das Thema „Circular Economy“ interessant: eine Stadt übernimmt die Verantwortung, um das Abfallaufkommen in ihrem Gebiet in den nächsten Jahrzehnten auf Null („Zero Waste“) zu reduzieren und startet hierzu mit den Gewerbe- und Industriebranchen entsprechende Programme. Das geht natürlich weit über das bloße Vermeiden oder das Recycling von Abfällen hinaus. Wie kann ein Gebäude geplant und errichtet werden, das während der Bau- und Betriebsphase möglichst wenig Abfall erzeugt, gleichzeitig nachhaltig bewirtschaftet und im Falle eines Abrisses zu 100% wiederverwertet werden kann? Wie kann der Medizinsektor seine gigantischen Abfallquoten drastisch reduzieren und trotzdem höchste Hygienestandards einhalten?

Bereits vor der Messe war ein kompaktes Programm an Besuchen der ausstellenden Städte und Länder, bzw. deren Einladungen zum niederländischen Pavillon organisiert worden. Daran nahmen jeweils 5 bis 15 Personen unter Führung eines niederländischen Bürgermeisters oder einer Vertreterin des niederländischen Außenministeriums teil. Auf diese Weise kamen während der drei Messetage etwa 50 Dialoge zustande, die z.T. während der Messe durch weitere Gespräche vertieft wurden. Dadurch entstand u.a. ein sehr intensiver Austausch zwischen der Metropolregion HBGW und den niederländischen Smart Cities mit der Absprache gegenseitiger Besuche in 2019. Bereits im Vorfeld der Messe war auch eine Zusammenarbeit zwischen der Stadt Dortmund und der Hauptstadt der niederländischen Provinz Nord-Brabant, `s Hertogenbosch, zum Thema Dateninfrastruktur und IoT eingefädelt worden. Diese Partnerschaft wurde an der Messe und kurz danach um die Städte Tampere aus Finnland, Stavanger aus Norwegen, Amsterdam, Oldenburg und Rom erweitert. Diese Städte stehen vor der Aufgabe, eine herstellerunabhängige leistungsfähige Dateninfrastruktur als Daseinsvorsorge aufzubauen, welche nicht nur den Datenschutz sicherstellt, sondern die Basis für ein europäisches Smart City Modell legen soll, welches den Wertekanon unserer humanistisch geprägten, offenen Gesellschaft im Zeitalter der Digitalisierung schützen und stärken soll. Die Grundlage für diese Zusammenarbeit war durch einen Blog gelegt worden, der im September in Cities Today veröffentlich worden war: https://cities-today.com/can-data-utilities-be-a-real-alternative/

Ich habe von vielen Messebesuchern die Meinung gehört, es sei die beste Smart City Messe gewesen, die sie je besucht hätten. Sie hat auf jeden Fall gezeigt, dass sich inzwischen eine internationale Community aktiver Smart City Manager (bzw. CIOs oder CDOs) herausgebildet hat, die alle ein großes Bedürfnis nach Austausch und Co-Learning haben. Die niederländischen sowie etliche skandinavische Smart Cities stehen jetzt auch an der Schwelle von Pilotprojekten zu großflächigen Rollouts. Es wird Zeit für Deutschland, sich in diese Community einzubringen!


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Über Stefan Slembrouck

Stefan Slembrouck ist Philosoph und Betriebswirt und arbeitet seit 2009 im Bereich der digitalen Transformation und der Entwicklung von Smart Cities. Er verfügt über ein weitreichendes internationales Smart City Netzwerk und hat sich eingehend mit den Themen Digitalisierung der Energienetze, intelligente Straßenbeleuchtung, Ladeinfrastruktur und vernetzte Mobilität sowie dem Aufbau und Betrieb offener Datenplattformen unter Verwendung von ML und KI Algorithmen auseinandergesetzt. Er ist in mehreren Förderprogrammen aktiv: KNOWING zur besseren Einschätzung von Reaktionsrisiken (response risks) als Folge von Klimaanpassungsmaßnahmen, Intelligent Cities Challenge zum Aufbau eines Klimapaktes zwischen Kommunen und Unternehmen und TheaDiPOLIS zur Erkundung neuer, digital unterstützter Formen und Wege zur Beteiligung von Bürger*innen an der Stadtentwicklung. Parallel dazu entwickelt er das Thema Ethik der Smart City: Wie können die Ziele von mehr Lebensqualität und sozialer Kohäsion unter Gesichtspunkten der Stadtentwicklung in der Digitalmoderne mit Blick auf die Herausforderung der Klima- und Biodiversitätskrise zusammengeführt werden? Zu diesem Thema arbeitet er zurzeit an einer Dissertation an der TU Berlin bei Prof. Hans-Liudger Dienel. *** Stefan Slembrouck is a philosopher and business economist and has been working in the field of digital transformation and the development of smart cities since 2009. He has an extensive international smart city network and has worked extensively on the digitalization of energy grids, smart street lighting, charging infrastructure and connected mobility as well as the development and operation of open data platforms using ML and AI algorithms. He is active in several funding programs: KNOWING to better assess response risks as a result of climate adaptation measures, Intelligent Cities Challenge to establish a climate pact between municipalities and companies and TheaDiPOLIS to explore new, digitally supported forms and ways of involving citizens in urban development. At the same time, he is developing the topic of smart city ethics: how can the goals of greater quality of life and social cohesion be brought together from the perspective of urban development in the digital modern age with a view to the challenge of the climate and biodiversity crisis? He is currently working on a dissertation on this topic at the TU Berlin with Prof. Hans-Liudger Dienel. Homepage ->