Open-Source statt Open-Washing: Echte Freiheit für digitale Souveränität

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#SmartCityDefinition of FOSS/Open Source Software by Bundesverband Smart City e.V. (a.k.a. German Smart City Association a.k.a. BVSC)

Am Mittwoch den 4. Dezember 2024 fand im Deutschen Bundestag eine Expert:innen-Anhörung des Digitalausschusses zum Thema Open Source statt.[1]

Gefragt wurde u.a., welche Vor- und Nachteile Open-Source-Technologien im staatlichen Kontext, z.B. für die Verwaltungsdigitalisierung, haben und welcher Voraussetzungen und Infrastrukturen es für deren erfolgreichen Einsatz bedarf.
Ein besonderer Fokus lag darauf, welche zusätzlichen gesetzlichen Vorgaben wünschenswert wären, um den Einsatz von Open-Source-Software (OSS) im staatlichen Bereich zu fördern und proprietäre Software perspektivisch durch erste zu ersetzen.

Es wurde in diesem Zusammenhang auch nach vergaberechtlichen und verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten gefragt wie z.B. der Aufnahme des Betriebs quelloffener Software als gemeinnützigen Zweck in der Abgabenordnung.

Unter den Expert:innen waren bei dieser Anhörung mehrere Sachverständige, mit denen persönlich oder deren Institutionen der BVSC zusammen arbeitet oder sich zum Thema Open-Source austauscht.[2]
So verwundert es nicht, dass von den meisten Expert:innen einhellig eine Meinung vertreten wurde, die auch der BVSC seit vielen Jahren propagiert und die u.a. auch offizielle Position der Deutschen Cybersicherheitsbehörde BSI ist [3]: dass der Einsatz von Freier-Open-Source-Software mit technischen und strategischen Vorteilen verbunden ist, die durch die vier Freiheiten wirksam werden, die Voraussetzung dafür sind, dass Software das Prädikat “Freie Open Source Software” verdient, nämlich dass ihre Lizenz “allen das Recht gibt, das Programm für jeden Zweck zu verwenden, zu verstehen, zu verbreiten und zu verbessern”[4].

Es ist auffällig, dass im Titel des Themas der Anhörung und im Fragenkatalog nicht von “freier” Software gesprochen, sondern nur der Begriff “Open Source” verwendet wird und dieser zudem im Fragenkatalog der “Quelloffenheit” gleichgesetzt wird.[5]
Dass letztere Eigenschaft von den zuvor erwähnten vier Freiheiten lediglich jenes Recht abbildet, die verwendete Software zu verstehen, ist ein Indiz dafür, dass das Verständnis des Begriffes Open-Source eine schleichende Umdeutung erfahren hat, die dazu führt, dass die anderen wesentlichen Eigenschaften zunehmend aus jenem Begriff herausdefiniert werden.

Ein Beispiel für die Brisanz einer unzureichenden Trennschärfe bei der Definition von Open-Source-Software ist § 4 (3) des Onlinezugangsgesetzes (OZG)[6]:
Bei der Bereitstellung der IT-Komponenten im Sinne des Absatzes 1 sollen offene Standards und offene Schnittstellen verwendet werden und soll Open-Source-Software vorrangig vor solcher Software eingesetzt werden, deren Quellcode nicht öffentlich zugänglich ist oder deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung einschränkt.
Demnach kann Software als Open-Source eingestuft werden, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist, aber deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung einschränkt, weshalb es sich durch das Fehlen mindestens einer Freiheit nicht um echte (Freie) Open-Source-Software handelt.

Kollaboration mittels Digitalisierung

© Artwork by Scott Maxwell Creative Commons License Attribution-Sharealike Generic 2.0

Ein positives Gegenbeispiel ist das Thüringer Vergabegesetz. Darin heißt es unter § 4 (2) Unter Open-Source-Produkten sind solche Produkte zu verstehen, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist und deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung nicht einschränkt.[7]

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Begriff Open-Source ursprünglich aus der Freie-Software-Bewegung stammt und eingeführt wurde, um freie Software als ethisch neutral und geschäftsfreundlich darzustellen und eine kommerziellere Perspektive widerzuspiegeln, da die Mehrdeutigkeit des Begriffs “Freie Software” als hinderlich für die Akzeptanz durch Unternehmen angesehen wurde.

In Hinblick auf den Fragenkatalog der Anhörung wird das offensichtliche Missverständnis bzgl. des Begriffs Open-Source und auf dramatische Weise auch das Gefahrenpotenzial hinsichtlich der erwähnten Vergabekriterien im Vergaberecht deutlich, vor dem zivilgesellschaftliche Organisationen wie auch der BVSC seit Jahren warnen.

Deshalb ist es umso erfreulicher, dass im Fragenkatalog auch das Problem des „Open-Washing“ erwähnt wird (in Anlehnung an den Begriff „Greenwashing”), also das Deklarieren einer Software als Open-Source-Entwicklung, die “schlussendlich doch wieder in proprietärem Code endet”.[5]
Letzteres wäre bereits der Fall, wenn auch nur eine der oben bereits erwähnten vier Freiheiten durch die zugrundeliegende Software-Lizenz nicht gewährt werden.

Die meisten angehörten Expert:innen teilen die Einschätzung der Gefahr durch Open-Washing, insbesondere für die Digitale Souveränität der Verwaltung.

In der Stellungnahme des Free Software Foundation Europe e.V. (FSFE) heißt es dazu:

Openwashing ist eine Herausforderung für die Kontrollierbarkeit technische Infrastrukturen und dadurch auch für öffentliche Verwaltungen. Openwashing verwässert die klare Definition von Freier Software und erweckt den Anschein von Offenheit und Kontrolle, während es die Abhängigkeit von proprietären Systemen und Herstellern verstärkt. Dies widerspricht dem Ziel digitaler Souveränität und stiftet Verwirrung um diesen Begriff.
Öffentliche Verwaltungen und IT-Dienstleister sind gefordert, die Bedeutung von Freier Software Software für digitale Souveränität zu verstehen und vorbildhaft zu agieren, indem sie eigenes Openwashing vermeiden. Wird mit öffentlichen Mitteln Openwashing unterstützt, unterminiert das nicht nur digitale Souveränität, sondern schadet dem Vertrauen der Menschen in staatliches Handeln und in die Demokratie.
Verwaltungen müssen in der Lage sein, Freie Software von proprietären Lösungen zu unterscheiden. Dazu bedarf es rechtlichen und technischen Fachwissens bzw. guter Beratung z.B. durch ZenDiS. Fehlentscheidungen zugunsten vermeintlich offener Lösungen führen zu Abhängigkeiten, höheren Kosten und eingeschränkter Kontrolle. Sie schaden dem Vertrauen in Freie Software, verursachen langfristige Mehrkosten für Steuerzahler und erschweren die effiziente Haushaltsprüfung.“[4]

Dass auch die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt) in Ihrem Bericht mit dem Titel „Open Source in Kommunen – Ein Baustein für mehr Digitale Souveränität“ [8] die Begriffe “Open-Source-Software” (OSS), „Freie Software“ und „Free (Libre) und Open-Source-Software” (FOSS/FLOSS) synonym verwendet und auch ersteren im Sinne der o.g. vier Freiheiten versteht, war und ist ein deutliches Zeichen für ein Verständnis, das auch in der Anhörung im Bundestag am 4. Dezember 2024 mehrheitlich von den Expert:innen untermauert und in deren Stellungnahmen bekräftigt wurde.

Achten Sie bei Ihren Ausschreibungen bzw. der Vergabe auf die Beanspruchung aller vier Freiheiten gemäß FSFE!

4 Freiheiten = Open-Source
<4 Freiheiten = Open-Washing / Closed-Source / Proprietär

Um sicher zu stellen, dass es sich bei einer zu beschaffenden Software um echte Open-Source-Software handelt, gleichen Sie deren Lizenz(en) mit denen der Open Source Initiative (OSI) und/oder der Free Software Foundation (FSF) ab.

 

Der BVSC, die Professur Digital City Science der HafenCity Universität und das WISSENSARCHITEKTUR – Laboratory of Knowledge Architecture der TU Dresden werden mit Expert:innen aller Stakeholdergruppen im Rahmen der Weiterentwicklung der “Meta-Terminologie für zukunftsgerichtete Kommunen und Regionen von morgen”[9] u.a. einen Vorschlag für eine konsensfähige Definition des Begriffs Open-Source entwickeln.
Mehr über jenes Projekt erfahren Sie hier in einem separaten Blog-Beitrag.

Häufig gestellte Fragen zur Lizenzierung Freier Software werden hier auf der Webseite der FSFE beantwortet: https://fsfe.org/freesoftware/legal/faq.de.html

[1] Webseite des Deutschen Bundestags “Experten betonen Chancen von Open Source in der öffentlichen Verwaltung”: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2024/kw49-pa-digitales-open-source-1029830

[2] Sachverständigenliste der 77. Sitzung des Deutschen Bundestags am 4. Dezember 2024 (Öffentliche Anhörung): https://www.bundestag.de/resource/blob/1024970/06b9ac95dca1b5695346191c282d1de1/Sachverstaendigenliste-Open-Source.pdf

[3] Strategische Position des BSI: https://www.bsi.bund.de/DE/Themen/Unternehmen-und-Organisationen/Informationen-und-Empfehlungen/Freie-Software/freie-software.html

[4] Stellungsnahme der Free Software Foundation Europe e.V. (FSFE) anlässlich der öffentlichen Anhörung am 04.12.2024 im Bundestag: https://www.bundestag.de/resource/blob/1024972/17b92e0a57d51c11d1701029c84289e4/Stellungnahme-Sander.pdf

[5] Fragenkatalog zur öffentlichen Anhörung am 04.12.2024 im Bundestag: https://www.bundestag.de/resource/blob/1024968/9232a61f7558748375616d9571f156ea/Fragenkatalog-Open-Source.pdf

[6] Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG): https://www.gesetze-im-internet.de/ozg/index.html

[7] Thüringer Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge (Thüringer Vergabegesetz – ThürVgG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2020: https://www.landesrecht.thueringen.de/bsth/document/jlr-VergabeGTH2019rahmen

[8] Bericht der KGSt “Open Source in Kommunen Ein Baustein für mehr Digitale Souveränität”: https://www.kgst.de/documents/20181/34177/KGSt-Bericht-5-2021_Open-Source.pdf/994d10d0-ec25-f8ed-91af-1a12518c27d3?t=1625828436000

[9] Tagesspiegel Background vom 07.11.2023 “Auf der Suche nach einer Smart-City-Definition”: https://background.tagesspiegel.de/smart-city-und-stadtentwicklung/briefing/auf-der-suche-nach-einer-smart-city-definition

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Alle Blog-Beiträge unter AKTUELLES sowie Foren-Beiträge und Kommentare geben die persönliche Meinung des/der jeweiligen Autors/Autor:in wieder und nicht zwangsläufig die des Bundesverband Smart City e.V. und/oder dessen Vorstands und/oder aller seiner Mitglieder.

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Über Mirko de Paoli

Mirko de Paoli hat in über 25 Jahren als IT-Dienstleister u.a. Infrastruktur-Projekte für mittelständische Unternehmen begleitet, Enterprise-Webseiten, Software für die Luftfahrtindustrie sowie Softwareprodukte für Krankenhäuser und Kommunikationsunternehmen entwickelt, IoT-Projekte geleitet und als Repräsentant verschiedene Institutionen in der Öffentlichkeit vertreten. Seit vielen Jahren engagiert er sich privat und als Unternehmer ehrenamtlich für diverse gemeinnützige NGOs, wodurch er einen tiefen Einblick in deren Arbeitsweisen und Prozesse hat. Er ist seit 2016 als Mitglied des Bundesverband Smart City e.V. und seit Februar 2020 als dessen Vorstandsvorsitzender bestrebt, den technischen Fortschritt im Sinne einer nachhaltigen und somit zukunftsfähigen Entwicklung mitzugestalten, die maßgeblich die Zivilgesellschaft einbezieht und sich an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen orientiert. Seit Februar 2021 vertritt Mirko de Paoli ehrenamtlich die Zivilgesellschaft im Dialogkomitee des Projektes „Dialog für Cyber-Sicherheit“ des BSI. (LinkedIn ->)