Smart City und Utility 4.0 – natürliche Partner moderner Urbanität

Lesedauer ca. 5 Minuten

Digitalisierung ist kein Hype, sondern reale Herausforderung, die beinahe jeden Lebensbereich tangiert. Dies gilt auch für das Zusammenleben im urbanen Raum. Smart City ist längst in den Kommunen angekommen. Aber unsere Städte und Gemeinden benötigen für ihre Smart-City-Initiativen innovative Partner! – Die gute Nachricht lautet, dass moderne Versorgungsunternehmen vom Typ Utility 4.0 diese Rolle übernehmen können.

BVSC Oliver D. Doleski

Oliver D. Doleski

Oliver D. Doleski, München

Heute leben wir im Zeitalter des Anthropozän – dem Menschenzeitalter. Einer Epoche, in der sich der Homo sapiens zur alles bestimmenden Spezies auf diesem Planeten entwickelte, nahezu alle globalen Prozesse und Trends durch sein Handeln tangiert und seine Siedlungsräume stetig ausweitet. Vor diesem Hintergrund steigen angesichts der Megatrends Globalisierung, Urbanisierung, demografischer sowie Klimawandel die Herausforderungen insbesondere auch an unsere Kommunen immens an.[1]

Noch im Jahr 1950 besiedelten nur knapp ein Drittel der Weltbevölkerung urbane Regionen. Dem UN-Bericht „World Urbanisation Prospects“ zufolge dürften bereits im Jahr 2050 dann mehr als zwei Drittel der Menschheit in Städten leben. Tendenz aus heutiger Sicht weiter steigend. Obgleich dieser Trend primär auf Schwellen- und Entwicklungsländer zutrifft, bestätigt der „Wegweiser Kommune“ der Bertelsmann Stiftung auch für Deutschland weiter fortschreitende Urbanisierungstendenzen. Unstrittig ist aus Sicht der Gütersloher zwar, dass die Gesamtbevölkerung Deutschlands durch den demografischen Wandel bis 2030 insgesamt um etwa eine halbe Million sinken dürfte, jedoch geschieht dies voraussichtlich primär zulasten ländlicher Siedlungsgebiete. Mit anderen Worten liegen Wachstum und Schrumpfung oft eng nebeneinander. So werden der Studie zufolge also auch in Deutschland die Einwohnerzahlen in städtischen Regionen weiter ansteigen.[2] Vor diesem Hintergrund muss es Städten und Gemeinden hierzulande gelingen, diese Bevölkerungszunahme in den Ballungszentren lebenswert und nachhaltig zu gestalten. Damit sind intelligente Konzepte moderner Urbanität gefragter als jemals zuvor.

Smart City ist lebenswerte Urbanität von morgen

Bei kritischer Betrachtung der einschlägigen Fachliteratur kann bis dato kein einheitliches Verständnis des Smart-City-Begriffs konstatiert werden. In Ermangelung einer allgemeingültigen Definition bedienen wir uns daher der Begriffsbestimmung intelligenter Städte, wie sie Etezadzadeh vorschlägt: „Eine auf den individuellen und städtischen (Selbst-)Erhalt ausgerichtete, sich aus allen menschlichen Akteurs-Gruppierungen der Stadt rekrutierende Gemeinschaft. Sie richtet ihre Verhaltensweisen (inkl. Produktion und Konsum) umfassend am städtischen, gemeinsam auf Basis der Metaziele (Nachhaltigkeit und Verallgemeinerbarkeit) erarbeiteten Zielsystem aus und tritt für ihre vielfältigen und gemeinschaftlichen Ziele, für ihre Souveränität als Konsumenten, Bewohner und Menschen sowie für die Tier- und Pflanzenwelt der Stadt ein. Dabei bedient sie sich in weiten Teilen technischer Einrichtungen, ohne dass diese unkontrolliert expandieren, das urbane Leben dominieren und Entscheidungshoheit erlangen.“[3]

BVSC Smart-City-Bausteine Oliver D. Doleski

Smart-City-Bausteine, Oliver D. Doleski

Dieser „Chancenraum Smart City“ integriert ein breites Spektrum unterschiedlicher Bausteine (siehe Abb. Bausteine) sowie digitaler Technologien in das tägliche Leben ihrer Bewohner, ohne dabei dominant in Erscheinung zu treten. Die Stadt der Zukunft gewährleistet einer wachsenden Stadtbevölkerung umweltfreundliche und soziale Mobilität, Ressourceneffizienz, Sicherheit und nicht zuletzt Service. Bei genauerem Hinsehen wird schnell offenkundig, dass diese intelligenten Städte entscheidend von den technischen Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnik sowie der mit diesen Technologien einhergehenden Fähigkeit zur effizienten Steuerung aller Arten von Versorgungs- und Entsorgungsnetzen abhängen.

Daten sind das Fundament innovativer Kommunen

Ohne Daten keine Smart City! – Allein der strukturierte Einsatz von Daten aller Art kann Städte und Gemeinden perspektivisch in die Lage versetzen, ihre Bürger auch in Zukunft sicher mit sauberer Energie, nachhaltiger innerstädtischer Mobilität, effizienter Ver- und Entsorgung etc. zu versorgen. Schon heute sind Daten die Basis intelligenter Systeme und zentraler Treiber von Innovationen. Kaum verwunderlich, dass die Bedeutung von Daten sowie einer digitalen Infrastruktur im städtischen Kontext zusehends wächst.

Innovative Smart-City-Ansätze beruhen im Kern auf der intelligenten Kombination sektorübergreifender Strategien, Technologien und Lösungen. Neben optimiertem innerbehördlichen Informationsmanagement sind Datenverarbeitung in Echtzeit und leistungsfähige Steuerungs- und Kommunikationssysteme erfolgskritisch. So können Smart Cities beispielsweise kritische Daten über die Auslastung der innerstädtischen Infrastruktur oder lokale Umweltbelastung im Stadtgebiet unmittelbar detektieren. Kombiniert mit modernen Data-Analytics-Verfahren könnte z. B. im Falle sich abzeichnender Störungen vorausschauend eingegriffen werden. Die flankierende Verfolgung einer sich in definierten Grenzen bewegenden Open-Data-Philosophie ermöglicht darüber hinaus einer digitalen Metropole, unterschiedliche Stakeholder für das eigene Smart City Design zu begeistern und damit die Öffentlichkeit zur Partizipation zu ermutigen.

Perspektive Utility 4.0

Ähnlich wie im Falle innovativer Smart-City-Ansätze avanciert in einer fortschreitend digitalisierten Welt auch im Energiesektor die virtuose Nutzung moderner Daten- und Kommunikationstechnologien zur Kardinalfrage. Daher lohnt sich zunächst ein kurzer Blick auf die Entwicklungstendenzen bei Energieversorgungsunternehmen selbst:
Etwa seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat der Energiesektor im Wesentlichen drei Phasen durchlaufen. Nach Verteilung (Utility 1.0), klassischer Versorgung (Utility 2.0) und Dienstleistungsorientierung (Utility 3.0) steht die Energiewirtschaft heute inmitten ihrer bislang letzten, vierten Entwicklungsstufe. Ausgelöst von der allgemeinen digitalen Transformation, bei der Energiesektor und Informationstechnologie zunehmend miteinander verschmelzen, entwickeln sich heutige Versorgungsunternehmen schrittweise zu digitalen Energiedienstleistungsunternehmen oder Utilities 4.0, deren Leistungsportfolio vorzugsweise vernetzt, flexibel und vor allem dienstleistungsorientiert ist.[4]

Utilities 4.0 sind die natürlichen Partner der Smart City

Immer mehr Kommunen initiieren oder betreiben eigene Smart-City-Projekte. Doch um selbst „intelligent“ werden zu können, benötigen Städte und Gemeinden häufig leistungsfähige, innovative Partner. Eine Rolle, die moderne Utility-4.0-Stadtwerke gut ausfüllen können.

Ein kritischer Blick auf die ökonomischen Kennzahlen vieler Versorgungsunternehmen lässt erahnen, dass die Bedeutung der reinen Lieferung von Strom und Gas zugunsten umfassender Energiedienstleistungen und des Betriebs komplexer Energiesysteme zu schwinden beginnt. Trotz dieser ungünstigen Vorzeichen verfügen Stadtwerke und Co. über einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil: die räumliche Nähe zum Kunden. Regional verankerte Stadtwerke kennen die Gegebenheiten vor Ort genau und agieren nah am Bürger. Kommunal häufig bestens vernetzt, handeln diese Akteure des Energiesektors nach dem Motto „Aus der Region, für die Region!“. Damit erreichen sie die erforderliche Differenzierung zu den Newcomern der Energieszene.

Was Stadtwerken in der konventionellen Energiewelt gelang, kann ihnen auch in der digitalen Zukunft gelingen. Stadtwerke und Co. können immer dann den beschriebenen Heimvorteil für sich nutzen, wenn sie aus der Datenflut einer Smart City Intelligenz abzuleiten und relevante Ergebnisse zu präsentieren imstande sind. Wenn sie zudem einen praktischen Beitrag zur Bewältigung der vielerorts drängenden Herausforderungen im Bereich innerstädtischer Umweltbelastung, Mobilitätssteuerung, Entsorgung etc. leisten, dann werden sie sich als natürliche Partner der Smart City etablieren.

Digitale Energieversorgungsunternehmen können demnach mehr als den lebensnotwendigen Strom – ohne den keine Smart City funktioniert – zuverlässig liefern. Vielmehr besitzen Utilities 4.0 auch die Fähigkeit, intelligent die Funktionsfähigkeit einer modernen städtischen Infrastruktur professionell sicherzustellen. Kurz gesagt bieten innovative Versorgungsunternehmen praktische Lösungen an, die eine Kommune mithilfe digitaler Lösungen lebenswert, nachhaltig, widerstandsfähig und damit zukunftsfähig machen.

Quellen

[1] Vgl. Doleski, O.D. und Aichele, C. (2014). Idee des intelligenten Energiemarktkonzepts. In: Aichele, C., Doleski, O.D. (Hrsg.), Smart Market – Vom Smart Grid zum intelligenten Energiemarkt. Wiesbaden: Springer Vieweg, S. 31.

[2] Vgl. Bertelsmann Stiftung (2020). Wegweiser Kommune. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. https://www.wegweiser-kommune.de/.

[3] Etezadzadeh, C. (2015). Smart City – Stadt der Zukunft? Die Smart City 2.0 als lebenswerte Stadt und Zukunftsmarkt. Essentials. Wiesbaden: Springer Vieweg, S. 55 f.

[4] Vgl. Doleski, O.D. (2016). Utility 4.0 – Transformation vom Versorgungs- zum digitalen Energiedienstleistungsunternehmen. Essentials. Wiesbaden: Springer Vieweg, S. 12 ff.

Hinweis
In diesem Beitrag wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit ausschließlich die männliche Form als generisches Maskulinum (maskulini generis) verwendet. Diese Form bezieht sich auf Personen beiderlei Geschlechts und anderweitige Geschlechteridentitäten gleichermaßen.

Zur Person
Oliver D. Doleski ist Principal bei Siemens Advanta Consulting und branchenweit bekannter Herausgeber. Nach wirtschaftswissenschaftlichem Universitätsstudium in München und verschiedenen leitenden Funktionen im öffentlichen Dienst sowie in Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen war er viele Jahre erfolgreich freiberuflich als branchenübergreifend aktiver Unternehmensberater tätig. Heute widmet er sich vor allem im Energiesektor und in der Prozessindustrie intensiv den Themen Digitale Transformation, Internet of Things (IoT) und Smart City.
Sein Forschungsschwerpunkt liegt in den Bereichen Geschäftsmodellentwicklung (Integriertes Geschäftsmodell iOcTen) und Digitale Dekarbonisierung von Energiesystemen. Mit der Wortschöpfung Utility 4.0 etablierte Oliver D. Doleski bereits 2016 einen prägnanten Begriff für den Übergang von der analogen zur digitalen Energiewirtschaft. Er gestaltet als Mitglied energiewirtschaftlicher Initiativen den Wandel der Energiewirtschaft aktiv mit. Seine in der Unternehmenspraxis und Forschung gewonnene Expertise lässt er als Herausgeber und Autor in zahlreiche branchenweit beachtete Publikationen und Fachbücher einfließen.
Oliver D. Doleski ist Mitglied im Bundesverband Smart City e.V.

Alle Blog-Beiträge unter AKTUELLES sowie Foren-Beiträge und Kommentare geben die persönliche Meinung des/der jeweiligen Autors/Autorin wieder und nicht zwangsläufig die des Bundesverband Smart City e.V. und/oder dessen Vorstands und/oder aller seiner Mitglieder.

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Über Oliver D. Doleski

Oliver D. Doleski ist Principal bei der Siemens AG und branchenweit bekannter Herausgeber. Nach wirtschaftswissenschaftlichem Universitätsstudium in München und verschiedenen leitenden Funktionen im öffentlichen Dienst sowie in Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen war er viele Jahre erfolgreich freiberuflich als branchenübergreifend aktiver Unternehmensberater tätig. Heute widmet er sich vor allem im Energiesektor und in der Prozessindustrie intensiv den Themen Digitale Transformation, Internet of Things (IoT) und Smart City. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in den Bereichen Geschäftsmodellentwicklung (Integriertes Geschäftsmodell iOcTen) und Digitale Dekarbonisierung von Energiesystemen. Mit der Wortschöpfung Utility 4.0 etablierte Oliver D. Doleski bereits 2016 einen prägnanten Begriff für den Übergang von der analogen zur digitalen Energiewirtschaft. Er gestaltet als Mitglied energiewirtschaftlicher Initiativen den Wandel der Energiewirtschaft aktiv mit. Seine in der Unternehmenspraxis und Forschung gewonnene Expertise lässt er als Herausgeber und Autor in zahlreiche branchenweit beachtete Publikationen und Fachbücher einfließen.